
Unsere Sonne - ein aktiver Stern
Seit der Erfindung des Fernrohrs zu Beginn des 17. Jahrhunders hat sich unser alltägliches Bild von der Sonne als einer gleissend hellen, unveränderlichen Lichtscheibe grundlegend gewandelt: auf der Sonne wurden riesige Flecken entdeckt, welche sich als Ein- und Austrittspunkte von starken Magnetfeldern entpuppten, deren Feldlinien sich aus dem Sonneninnern in majestätischen Bögen bis in die äussersten Schichten der Sonnenatmosphäre erstrecken. Oft drängen sich dutzende, manchmal sogar hunderte der dunklen Sonnenflecken zu ausgedehnten Aktivitätsgebieten zusammen, welche von hellen Fackelfeldern (Plages) und filigranen Filamenten (Protuberanzen) begleitet werden. Hin und wieder rekombinieren nahestehende Magnetfeldlinien miteinander und geben in blitzähnlichen Eruptionen (Flares) ihre gespeicherte Energie frei. Dabei wird gelegentlich auch mit Magnetfeldern durchsetztes Plasma der umgebenden Sonnenatmosphäre so stark beschleunigt, dass es die Sonne in Form eines Masseauswurfs (CME) verlassen kann. Dieses kann nach einer mehrtägigen Reise auch die Erde treffen und dort geomagnetische Stürme auslösen.
Langfristige synoptische Überwachung der Sonnenaktivität
Der Zustand der Sonnenatmosphäre ändert sich ständig: kein Tag, keine Stunde, ja keine Minute, ohne dass sich neue Aktivitätsgebiete bilden, bestehende ihr Aussehen verändern oder alte zerfallen. Langfristig schwankt dieses Sonnenwetter in einem quasiperiodischen Aktivitätszyklus von rund 11 Jahren Länge, doch unterscheiden sich die Aktivitätsverläufe von Zyklus zu Zyklus beträchtlich und in bisher unvorhersagbarer Weise - trotz mehr als 275 Jahren direkter Beobachtung. Die langfristige synoptische Überwachung der Sonnenaktivität ist daher für die kurz- und mittelfristige Prognose der Sonnenaktivität sowie für die Erforschung der heliophysikalischen Prozesse von grundlegender Bedeutung (Pevtsov, 2016).
Synoptische Beobachtungsprogramme zur langfristigen Überwachung der Sonnenaktivität
Der Sonnenturm Uecht beteiligt sich an mehreren Beobachtungsprogrammen zur langfristigen Überwachung der Sonnenaktivität:
- Tägliche Dokumentation der Sonnenphotosphäre im weissen Licht bei 540 nm Wellenänge.
- Tägliche Dokumentation der unteren Sonnenchromosphäre in Ca II K bei 393.4 nm Wellenlänge.
- Tägliche Dokumentation der oberen Sonnenchromosphäre in H-Alpha bei 656.3 nm Wellenlänge.
Die besondere Herausforderung dieser Programme ist deren tägliche Umsetzung und die über Jahrzehnte hinweg möglichst homogene Qualität der Messresultate. Da der Sonnenturm Uecht über kein flexibel einsetzbares Personal vor Ort verfügt, können die täglichen Beobachtungsprogramme über das Internet von irgend einem Computer aus durchgeführt werden. Das heisst, dass die beteiligten Beobachter sich auf einen lokalen Rechner des Sonnenturms Uecht einloggen können, von wo aus bei günstigen Witterungsbedingungen die Beobachtungsstation hochgefahren, die Kuppel geöffnet, die Instrumente auf die Sonne ausgerichtet, die Sonnenbilder fokussiert, die gewünschten Bildsequenzen aufgenommen und anschliessend die Beobachtungsstation wieder heruntergefahren werden kann. Die tägliche Verarbeitung der Rohbilder und die Bestimmung der Aktivitätsindices erfolgt nach erfolgreicher Akquisition einer vollständigen Bildsequenz ebenfalls auf den Rechnern des Sonnenturm Uecht.
Synoptische Beobachtungsprogramme zur langfristigen Messung der Sternaktivität der Sonne
Die Sonne ist ein gewöhnlicher Hauptreihenstern wie es allein in unserer Milchstrasse unzählige gibt. Inwieweit jedoch andere Sterne ähnliche Aktivitätsphänomene zeigen wie die Sonne, ist Gegenstand aufwändiger astrophysikalischer Forschungsprogramme. Ein Vergleich zwischen der Sonne und den Sternen des Nachthimmels ist insofern schwierig, als die Sterne auch in den leistungsfähigsten Instrumenten stets schwache Punktquellen bleiben, während die Sonne extrem hell ist und hochauflösende Messungen ermöglicht. Auf dem Sonnenturm Uecht wurden daher zwei Spektrografen installiert, welche die Sonne als Punktquelle auffassen und es so erlauben, die langfristige Sternaktivität der Sonne zu messen:- Der Solar High Resolution Staractivity Spectrograph (SHRSS). Die Sternaktivität wird gemessen, indem spektroskopisch die relativen Intensitätsschwankungen der H und K Linien des einfach ionisierten Kalziums bestimmt werden. Mit dem Solar High Resolution Staractivity Spectrograph werden in einem Wellenlängenbereich zwischen 380 nm und 420 nm hochauflösende Spektren aufgenommen und aus den gemessenen Verläufen die gewünschten Sternaktivitätsindices der Sonne berechnet. Diese Indices eignen sich zum Vergleich der Sonne mit Sternen der Spektralklassen F, G und K.
- Der Solar Infrared Staractivity Spectrograph (SIRSS). Die Sternaktivität wird gemessen, indem spektroskopisch die relativen Intensitätsschwankungen in drei benachbarten Linien des einfach ionisierten Kalziums im Infraroten bei rund 850 nm Wellenlänge (Kalziumtriplett) bestimmt werden. Mit dem Solar Infrared Staractivity Spectrograph werden in einem Wellenlängenbereich zwischen 720 nm und 900 nm hochauflösende Spektren aufgenommen und aus den gemessenen Verläufen die gewünschten Sternaktivitätsindices der Sonne berechnet. Diese Indices eignen sich zum Vergleich der Sonne mit Sternen der Spektralklassen K und M.
Beobachtungsprogramm zur langfristigen Messung der Sternaktivität sonnenähnlicher Sterne
Eine Spezialität des Sonnenturms Uecht ist die gleichzeitige Verfügbarkeit eines photometrischen wie eines spektroskopischen Nachtinstruments. Damit lassen sich die vorhandenen langjährigen photometrischen und spektroskopischen Messprogramme zur Überwachung der Aktivität sonnenähnlicher Sterne simultan an einem Ort weiterführen. Hierzu werden am William Optics Refraktor in den Stroegren Filtern b und y Digitalbilder und gleichzeitig am UVEX Spektrograph Spektren im visuellen Bereich zwischen 380 nm und 420 nm aufgenommen. Wir beschränken uns auf die Überwachung einiger ausgewählter sonnenähnlicher Sterne der Spektralklassen F, G und K mit Schwergewicht auf sogenannte Solar Twins der Spektralklasse G. Gegenwärtig ist das folgende Pilotprojekt im Aufbau:- Beobachtung der Solar Twins 18 Sco und 58 Eri. Mit den hochempfindlichen CMOS Kameras werden mit dem 132/925 mm Refraktor CMOS Bilder in Stroemgren b und y aufgenommen. Diese Beobachtungen werden mit zeitgleich durchgeführten spektroskopischen Aufnahmen am UVEX Spektrographen des Sonnenturms Uecht kombiniert.
Programm zur Beobachtung von Flaresternen
Der Sonnenturm Uecht beteiligt sich mit dem Nachtequipment auch an der Beobachtung von Flaresternen. Hierzu werden photometrisch am William Optics Refraktor im Johnson B Filter die Helligkeitsverläufe der Sterneruptionen aufgezeichnet und gleichzeitig spektroskopisch am UVEX Spektrograph Spektren im visuellen Bereich zwischen 380 nm und 700 nm aufgenommen. Dieses Messprogramm ist Teil der Zusammenarbeit zwischen der Fachgruppe Spektroskopie der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft (SAG) und der Universität Bern im Rahmen ihres Schwerpunkts Sternaktivität. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden an den Instrumenten des Sonnenturms Uecht fallweise auch auswärtige Beobachter hinzugezogen. Gegenwärtig ist das folgende Pilotprojekt im Aufbau:- Beobachtung der Flaresterne EV Lac und AD Leo. Mit den hochempfindlichen CMOS Kameras werden mit dem 132/925 mm Refraktor hochauflösende Zeitreihen in Johnson B aufgenommen. Diese Beobachtungen werden mit zeitgleich durchgeführten spektroskopischen Aufnahmen am UVEX Spektrographen des Sonnenturms Uecht kombiniert.
Programme zur Beobachtung von Exoplaneten und Veränderlichen Sternen
Das Nachequipment des Sonnenturms Uecht benutzen wir auch zur Durchführung folgender Beobachtungsprogramme und Messkampagnen:- Beobachtung von Transits bekannter Exoplaneten. Mit dem William Optics 132/925 mm Refraktor können Transits von Exoplaneten an Hoststernen bis etwa 15. Grösse beobachtet werden. Damit kann an der regelmässigen Beobachtung vieler der Exoplaneten in den TRESCA, TESS, AAVSO und ExoClock Datenbanken mitgearbeitet werden.
- Beobachtung des erwarteten Lichtausbruchs der rekurrierenden Nova T CrB. Regelmässige Helligkeitsbestimmungen in B und V sollen helfen, den Zeitpunkt des nächsten Helligkeitsausbruchs näher einzugrenzen.
- Beobachtung der Lichtkurven von Cepheiden. Mit dem mittelgrossen Refraktor lassen sich mittels Stacking von Einzelaufnahmen die Perioden von Cepheiden bis zu einer Minimumshelligkeit von 21. Grösse bestimmen.
Weitere Beobachtungsprogramme
- All Sky Beobachtung von hellen Meteoren, insbesondere Feuerkugeln
- All Aky Beobachtung von Nordlichtern


